Bolsonaro gegen Lula
Putsch nach Drehbuch
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro wollte die Amtsübernahme seines Nachfolgers Lula offenbar mithilfe des Militärs verhindern. Die Putschpläne sind auf Papier und in einem Video dokumentiert.
Zumindest wirkte es so, als am Donnerstag vergangener Woche erste Schnipsel der Videoaufzeichnungen dieser Sitzung bekannt wurden – einen Tag später gab das Oberste Bundesgericht das gesamte Video für die Öffentlichkeit frei. Da saß die Regierungselite des größten Landes Lateinamerikas, spielte Putschszenarien durch und filmte sich dabei. Es schien so dilettantisch und grotesk wie die gesamte vierjährige Amtszeit Bolsonaros, aber das war es nicht allein.
Im Laufe dieses Donnerstags führte die Bundespolizei im Rahmen einer »Stunde der Wahrheit« genannten Operation Razzien in Häusern von mehreren Dutzend Ministern und Militärs durch und nahm vier Vertraute des Expräsidenten fest. Bolsonaro musste seinen Pass abgeben, um eine Flucht ins Ausland zu verhindern. Im Licht der von den Ermittlern präsentierten Beweise schälten sich die Konturen jenes Plots heraus, mit dem eine »kriminelle Vereinigung« in den Wochen um die verlorene Wahl versuchen wollte, die Verfassung auszuhebeln und sich an die Macht zu klammern. So begründete der ermittelnde Richter Alexandre de Moraes, der die Ermittlungen genehmigt hatte, in einem 135-seitigen Dokument seine Entscheidung.
Wie geht es jetzt weiter? Einem Bericht der gewöhnlich gut informierten Zeitung »Valor Economico« zufolge wird die Generalstaatsanwaltschaft schon bald Anklage wegen Putschversuchs gegen Bolsonaro und mehrere seiner Mitverschwörer erheben. Dem Ex-Präsidenten droht eine Haftstrafe von 23 Jahren, so lange wäre er auch nicht wählbar. In letzter Instanz wird das Oberste Bundesgericht über eine Verurteilung entscheiden.
Bis es so weit ist, dürften allerdings noch Monate ins Land gehen. Die Richter seien zwar mehrheitlich der Meinung, dass die Beweislast gegen Bolsonaro erdrückend sei, berichtet »Valor Economico«. Doch ein Teil der Richterschaft fürchte, dass Bolsonaro im Gefängnis von seinen Anhängern zum Märtyrer stilisiert würde. Damit wären er und seine Anhänger eine dauerhafte Gefahr für die Demokratie.
Letztlich wäre seine Verurteilung damit auch eine politische Entscheidung – und ein erneuter Stresstest für die brasilianische Demokratie.