Von der Urzeit bis zum kalten Krieg: Geschichte. Diskutiert über Vergangenes oder erzählt davon.
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Der französische »Sonnenkönig« Ludwig XIV. stand tief in der Kreide bei den Schweizern. Die Schulden hatten sich über Jahrzehnte aufgetürmt, da er wie schon seine Vorfahren dazu neigte, große Teile des Heeres mit Eidgenossen zu bestücken – und die waren teuer.
»Sire!«, kommentierte sein Kriegsminister François Michel Le Tellier de Louvois bissig: »Wenn Eure Majestät das Gold und Silber hätten, das Sie und Ihre königlichen Vorfahren den Schweizern gegeben haben; Sie könnten damit die Landstrasse von Paris bis Basel mit Talern pflästern.« Die Bemerkung des Franzosen kam dem Bündner Gardekommandant Johann Peter Stuppa zu Ohren. »Sire!«, erwiderte er trocken, »es mag seyn; aber wenn es möglich wäre, alles Blut, das unsre Nation, zu Ihrer und Ihrer königlichen Vorfahren Erhaltung, vergossen hat, zusammenzubringen, man könnte damit einen schiffbaren Kanal von Paris bis Basel machen.«
Wie viele Schweizer tatsächlich das Gold und Silber der französischen Könige kassierten und wie viele dafür mit ihrem Blut bezahlten, ist nur lückenhaft dokumentiert. Recht hatten Louvois und Stuppa beide: Sehr zahlreich dienten Eidgenossen fremden Herren als sogenannte Reisläufer, abgeleitet vom Wort Reise, das auch Feldzug bedeutete. Bald genossen sie einen exzellenten Ruf – entsprechend hoch war ihr Preis.
Spätestens in den Burgunderkriegen (1474 bis 1477) hatten die Schweizer Soldaten ihren Nimbus als kaum bezwingbare Kombattanten zementiert, weil sie sich gegen jede Erwartung gegen die gefürchteten, schwer bewaffneten burgundischen Ritter von Herzog Karl dem Kühnen durchsetzten. Danach galten sie als moderne Krieger eines neuen Zeitalters, den spätmittelalterlichen Kampftechniken weit überlegen. Wer als europäischer Monarch etwas auf sich hielt, engagierte fortan ein Kontingent der eidgenössischen Kämpfer für sein Heer.
Im 16. Jahrhundert nahm das Reisläufertum an Fahrt auf. Einige Historiker gehen davon aus, dass von den damals rund 600.000 Schweizern bis zu 40.000 als Söldner im Ausland ihr Geld verdienten. Das entsprach etwa der kompletten Einwohnerschaft von mindestens vier großen Schweizer Städten – oder der männlichen Bevölkerung von acht Städten.
Ein »flaysch und bluott verkauff«
Insgesamt, so die Schätzungen, dienten vom 15. bis zum 19. Jahrhundert zwischen 1,5 und 2 Millionen Schweizer in fremden Armeen. Etwa ein Drittel kehrte nie nach Hause zurück. Das Söldnertum, merkten denn auch kritische Stimmen an, sei kein einträgliches Geschäftsmodell, sondern ein »flaysch und bluott verkauff«.
Es gab kaum einen europäischen Konflikt, bei dem die Schweizer Söldner nicht kräftig mitgemischt hätten. Sie kämpften für Frankreich, Holland, Spanien oder Österreich, für Polen oder England, auf den Schlachtfeldern Süddeutschlands, Kanadas, Venedigs, Sardinien-Piemonts, Neapels, Siziliens, Ägyptens, Indiens und sogar – wenn auch in geringer Zahl – auf dem Mittelmeer. Allerdings nicht gleichmäßig verteilt: Der größte Arbeitgeber für Schweizer Söldner war und blieb Frankreich, etwa die Hälfte von ihnen diente dem französischen Königshaus.
Wie kam es überhaupt dazu, dass die Schweizer über Jahrhunderte ihre jungen Männer in die Kriege anderer Mächte schickten? Was waren die Wurzeln dieses Geschäftsmodells ?
Anders als etwa Frankreich oder England war die Schweiz kein Nationalstaat mit stark ausgeprägter Identität, sondern ein Bündnis souveräner Kantone. Das machte es den Eidgenossen wohl leichter, fremden Staaten zu dienen. Es gab keine einheitliche Religion, auch kaum nennenswerte Komponisten, Maler oder Schriftsteller.
Für den Notfall eines Angriffs auf die Schweiz war jedoch vorgesorgt. Verträge sicherten dem Land zu, im Kriegsfall seine Soldaten abziehen und für sich beanspruchen zu dürfen. So verfügte die Eidgenossenschaft de facto jederzeit über ein stehendes Heer erster Güte – ohne für die teure Ausrüstung oder die mühsame Ausbildung selbst aufkommen zu müssen.
Ein weiterer Faktor ist die strategisch günstige Lage mitten in Europa. Die Schweiz diente nicht nur als sicherheitspolitische Pufferzone zwischen Frankreich, Habsburg-Österreich, Savoyen und Spanien-Mailand, sondern auch als Sammelplatz für Heere sowie als Garant für eine sichere Verschiebung von Truppen über die Alpenpässe.
Schweizer Banken halfen gern mit Krediten
Hinzu kam eine blühende Rüstungsindustrie, die bereitwillig jeden ausstattete, der zahlen konnte. Zwar war nicht jeder Monarch flüssig genug, um Söldner und Waffen bezahlen zu können. Doch dafür gab es ja praktischerweise die Schweizer Bankhäuser, die gern Kredite gewährten. Die Wurzeln der Banken in Genf und St. Gallen reichen tief hinab in die historischen Konflikte Europas.
Fremde Kriege waren auf vielen Ebenen ein lukratives Geschäft. Generationen von einflussreichen Schweizern standen auf der Gehaltsliste ausländischer Monarchen und erhielten für ihre Dienste feste Jahresbeträge, sogenannte Pensionen. Viel Geld floss in private Taschen, zugleich nahm auch die öffentliche Hand ansehnliche Summen entgegen.
Rund drei Jahrhunderte lang mussten die Kantone Uri und Schwyz von ihren Bürgern keine Steuern erheben, weil sämtliche Ausgaben von Pensionszahlungen Frankreichs gedeckt werden konnten. Der Berner Chronist Valerius Anshelm ging sogar so weit, den französischen König eine »milchkü« zu nennen. Nicht zu verachten waren zudem die von den Bündnispartnern eingeräumten Handelsprivilegien: Eidgenössische Kaufleute zahlten oftmals keine Zölle und durften ihre Waren ohne Einschränkungen zum Vorzugspreis auf den Märkten Frankreichs oder Mailands feilbieten. Den Grundstock für den heutigen Reichtum der Schweiz legte das profitable Geschäft mit dem Leben von Männern im kampffähigen Alter.
Doch mit welchen Gefühlen wandten sich junge Schweizer dem blutigen Handwerk in der Fremde zu?
Zunächst lockte die Aussicht auf reichen Sold. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verdiente ein Söldner im Schnitt doppelt so viel wie ein Maurer, um 1550 immer noch doppelt so viel wie ein einfacher Erntehelfer in Zürich. Nach ein paar Jahren in der Fremde, so das Kalkül, konnte man mit prall gefüllten Taschen zurückkehren und am warmen Ofen die Daheimgebliebenen mit Abenteuergeschichten aus fernen Ländern beeindrucken.
Nach und nach schrumpfte der Sold indes. Um 1700 glichen sich die Löhne von Söldnern und Erntearbeitern an. Oft konnten sich einfache Soldaten nun kaum Kleidung und Essen leisten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verdiente ein Maurer etwa zwei- bis dreimal so viel wie ein Söldner. Immer häufiger mussten die Soldaten um Vorschüsse bitten und verpflichteten sich im Gegenzug zu längeren Dienstzeiten – dieser Teufelskreis war kaum zu brechen.
Schweizer war ein Gütesiegel
Dennoch setzte sich die Tradition der Reisläufer fort. Die Mehrheit der Söldner stammte vom Land. Hier gab es abseits der Landwirtschaft kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Doch die Felder wurden nur in der wärmeren Jahreshälfte beackert. Die Winter waren lang und fade – zumindest für die jüngeren Söhne großer Familie, deren ältere Geschwister bereits alle wichtigen Aufgaben übernommen hatten. In den Krieg zu ziehen schien immer noch attraktiver als endlose, dunkle Monate ohne Arbeit und Lohn.
Heimaturlaub: Ein Söldner erzählt Zivilisten von seinen Erlebnissen im Krieg. Als Staat galt die Schweiz seit dem Wiener Kongress (1814/15) offiziell als neutral, entsandte aber weiterhin Söldner (Gemälde von 1831).
Bei Weitem nicht alle Mitglieder der sogenannten Schweizer Regimente waren tatsächlich Eidgenossen. Der Ruf der Schweizer Reisläufer war so gut und ihr Sold im Vergleich so hoch, dass sich ihnen auch Söldner anderer Nationen anschlossen – aus dem Heiligen Römischen Reich, aus Skandinavien oder den Niederlanden. Nicht selten waren die Nicht-Schweizer sogar deutlich in der Überzahl: Lediglich 3000 von insgesamt 18.000 Söldnern der Schweizer Regimenter, beklagte 1763 der französische Kriegsminister Étienne-François de Choiseul, seien »echte« Schweizer.
Für die wenigen reichen Städter, aus deren Rängen sich die Offiziere rekrutierten, war das Söldnergeschäft Familientradition. Einflussreiche Dynastien wie die Familie Pfyffer aus Luzern, die Zurlaubens aus Zug oder die Familie von Erlach aus Bern stellten über Jahrhunderte die Offiziere. Sie rekrutierten im Auftrag der fremden Herrscher aktiv Soldaten für ihre Regimenter und waren tief verstrickt in das wirtschaftliche Netz aus Geldzahlungen und Begünstigungen zwischen den fremden Auftraggebern und der Schweizer Heimat.
Auch Frauen beteiligten sich am Kriegsgeschäft und profitierten davon wie die Männer dieser Familien. Besonders gut belegt ist das in der akribischen Buchhaltung der Zuger Familie Zurlauben. Am 12. Januar
des Jahres 1705 sind in dort beispielsweise die Kosten für neue Schuhe sowie Speis und Trank im Gasthaus Löwen notiert, mit denen die Brüder Schwendbühl für den Söldnerdienst in der Kompanie von Beat Heinrich Josef Zurlauben geködert werden sollten. Verantwortlich für Auszahlung und Abrechnung war Maria Jakobea, Schwester des Hauptmanns. Auch eine weitere Schwester, Maria Barbara, beteiligte sich aktiv an der Rekrutierung und Verwaltung. Zudem führte sie die Korrespondenz mit den Familienmitgliedern, die in Frankreich mit der Ausbildung und dem Unterhalt der Familienregimenter beschäftigt waren. Was genau Maria Jakobea den jungen Männern im »Löwen« in Aussicht stellte, ist nicht überliefert. Doch unterschieden sich Versprechen und Realität offenbar drastisch. Die Brüder Schwendbühl jedenfalls desertierten, noch bevor sie ihren Bestimmungsort in Frankreich erreicht hatten. Dass Söldner von der Fahne gingen, war verbreitet. Die Zahl der Deserteure blieb trotz Androhung drakonischer Strafen stets hoch. So beschreibt der Soldat Ulrich Bräker in seiner Autobiografie »Der arme Mann im Tockenburg«, wie er selbst zunächst den Gedanken an Flucht verwirft, nachdem ein desertierter Kamerad fast zu Tode geprügelt wurde. Im Herbst 1756 belagert er mit der preußischen Armee die Stadt Pirna. »Von den grossen Dingen wussten wir gemeine Hungerschlucker am allerwenigsten«, berichtet Bräker. »Mein und so vieler andrer Sinn war vollends allein auf: Fort, fort! Heim, ins Vaterland! gerichtet.« Bis zur Schlacht von Lobositz hält er es noch aus, dann desertiert auch er. Unter den Reisläufern grassierte derart großes Heimweh, dass der Elsässer Arzt Johannes Hofer bereits im Jahr 1688 eine merkwürdige Krankheit namens nostalgie oder la maladie du pays diagnostizierte: Die ständige Sehnsucht nach der Heimat führe zu Appetitlosigkeit, Lethargie und am Ende zum Tod. Von einem Regiment im Dienste Neapels ist überliefert, dass in nur einem Jahr 56 Soldaten ihrem Leben durch eigene Hand ein Ende setzten. Mal des Suisses wurde die Krankheit auch genannt, die Schweizer Krankheit. Welcher Macht ein Söldner diente, hing oft von der religiösen Tendenz seines Wohnortes ab. Die Niederlande rekrutierten bevorzugt protestantische Soldaten in den reformierten Kantonen, während Spanien seinen Bedarf in katholischen Kantonen deckte. Und so mussten auf dem Schlachtfeld mitunter Schweizer gegen Schweizer kämpfen. Seit 1859 ist das Söldnertum verboten Das wohl traurigste Beispiel ist der Spanische Erbfolgekrieg. In der Schlacht von Malplaquet trafen am 11. September 1709 Schweizer unter französischer Flagge auf Schweizer im Dienste der Niederländer. Es war das blutigste Gefecht dieses Krieges. Zwar sollte die Große Allianz formal den Sieg davontragen, aber ihre Armee war so geschwächt, dass am Ende doch Frankreich profitierte. Der wahre Verlierer war die Schweiz, die an diesem Tag über 8000 ihrer Bürger verlor. Nach der Schlacht von Malplaquet wurden die Stimmen derer lauter, die ein Verbot
des Ausverkaufs der jungen Männer forderten. Doch nicht die Schweizer selbst setzten dem Söldnerwesen ein Ende, sondern die Franzosen. Am 10. August 1792 ermordeten Revolutionäre zwischen 550 und 700 Schweizer, die im Auftrag des Königs den Pariser Tuilerienpalast schützen sollten. 246 weitere Schweizer wurden Anfang September als Gegner der Französischen Revolution hingerichtet, die restlichen Truppen aus dem Land eskortiert. Bald lösten in ganz Europa Nationalarmeen die Söldnertruppen ab, immer mehr Länder führten die allgemeine Wehrpflicht ein. 1859 untersagte die Schweiz schließlich ihren Bürgern per Gesetz den Dienst an der Waffe für fremde Nationen. Das Verbot gilt bis heute. Bei Missachtung drohen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Schweizer Einheiten in fremden Diensten existieren allerdings noch immer – mit ausdrücklicher Erlaubnis des Bundesrates. Die berühmteste ist die Schweizergarde mit der Mission, den Papst zu schützen . Gegründet im Jahr 1506 ist sie heute das älteste Militärkorps der Welt.
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*Outsourcing (deutsch „Auslagerung“) ist in der Betriebswirtschaftslehre der Anglizismus für die Ausgliederung von einzelnen Funktionen, ganzen Organisationseinheiten oder Unternehmensprozessen in ein anderes Unternehmen. Pendant ist das Insourcing.*
... also ich finde das kann so nicht stehen lassen ... es muss Angriffskrieg heißen ... und den gibt es natürlich nicht ... das ist eine militärische Spezialoperation ...