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Freundschaft & Liebe

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Eloise 23.01.2023 10:27 Wie viel Leid erträgt man für andere?  T A X
Ich habe gerade die Serie "Club der roten Bänder" gesehen. Es geht da um Jugendliche, die Insassen in einem Krankenhaus sind.

Dem einen, der schwer krebskrank war, ein Bein verloren hatte und der Anführer des Clubs war, wurde sein Leben vorgeführt, wie es gewesen wäre, wenn er gesund gewesen wäre, und was für Auswirkungen er auf die anderen gehabt hatte.

Er war gesund, er hatte sein Bein wieder, und zu Hause empfing ihn eine große Party.

Ein Junge, der im Koma lag, und nach zwei Jahren aufgewacht war, der lag immer noch im Koma, weil der Club ihn nicht erweckt hatte.

Ein zweiter krebskranker Junge, der auch sein Bein verloren hatte, der verlor außerdem noch seinen Arm, weil er nicht zur Vorsorge ging.

Ein mageres Mädchen war hysterisch, auf der Stationären, und die Krankheit war bei ihm voll ausgebrochen, weil ihm die Liebe gefehlt hatte.

Ein junger Asperger Autist, der wegen eines Motorradunfalls im Krankenhaus war, hier seine ersten Freunde fand und, weil er bei ihnen bleiben wollte, Pfleger im Krankenhaus wurde, freundlich und zugewandt war, der stand jetzt in einer Spülküche, war völlig abweisend und unzugänglich.
Dadurch, dass er mit dem komatösen Jungen Kontakt aufnehmen konnte, nehme ich an, dass er es eigentlich war, der den Jungen zurückgeholt hat. Und dieser Asperger hat sich sehr rührend um die vielen Kinder im Krankenhaus gekümmert, die dann diesen Pfleger auch nicht gehabt hätten.

All das wäre so eingetreten, wenn der Anführer des Clubs gesund gewesen wäre. Und er meinte, zwei Beine, das sei ja geil, aber der Rest...

Ich hätte mich genauso entschieden wie er, aber wie ist das mit euch, wie viel erträgt man für andere, wie weit darf man egoistisch sein?
JakeSully 23.01.2023 22:16 Wie viel Leid erträgt man für andere?  « T A X
Ich habe diese Serie nicht gesehen. Ich bin grundsätzlich nicht so der Serienmensch, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, bei denen ich eines Besseren belehrt wurde.

Hallo Eloise,
ich habe die Erfahrung gemacht, dass man, wenn es darauf ankommt, sehr viel mehr ertragen und leisten kann, als man vorher vermutet hat.
An 2 persönlichen Beispielen möchte ich meine Erfahrungen erklären.

-1- Früher hatte ich so etwas wie Berührungsängste, zu Menschen mit Behinderungen. Nicht generell, aber immer dann, wenn ich es mit sehr extrovertierten Behinderten zu tun hatte. Ich kürze die Hintergründe und Details hier ab, bin aber gerne bereit, zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückzukommen und Tiefe hineinzubringen, wenn es gefragt ist.
Vor ca. 4 Jahren wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, eine 3-tägige Silvesterveranstaltung mit Behinderten zu betreuen. Nach anfänglichem Zögern sagte ich zu. Man kann auch sagen, dass ich weichgekocht wurde. ;-)
Seitdem habe ich 2 Urlaubsreisen begleitet, war in der Einzelbetreuung tätig und habe auf einer dieser Reisen auch pflegerische Tätigkeiten ausgeübt. Für mich ist diese ehrenamtliche Tätigkeit inzwischen etwas, was mich wirklich erfüllt. Es ist eine Tätigkeit, die meinem Leben einen speziellen Sinn gibt. Kurz vor Weihnachten kam die Idee auf, dass man 2023 an Weihnachten vielleicht privat etwas auf die Beine stellt, indem man für die Behinderten, die sonst an Heiligabend alleine sind, etwas kocht und gemütlich beisammen sitzt. Ich war sofort Feuer und Flamme für diese Idee und habe meine Zustimmung gegeben und ich hoffe sehr, dass Heiligabend in diesem Jahr eine neue Erfahrung für mich wird!

-2- Vor rund eineinhalb Jahren habe ich meinen Vater verloren, nach einer kurzen und schweren Erkrankung. Der Tod war bis dahin (und ist es auch jetzt noch) etwas, mit dem ich mich nie befassen wollte und für mich war es der Horror, mir vorzustellen, dass meine Eltern irgendwann nicht mehr sind (inzwischen sind beide Eltern tot). Aus meinen Erfahrungen aus Betreuung und Pflege konnte ich die Kraft schöpfen, um meinen Vater beim Sterben zu begleiten, pflegerische Anteile zu übernehmen, über 200Km entfernt zu leben, nebenbei zu arbeiten und bei seinem letzten Atemzug an seinem Hospizbett zu sitzen. Zwischen Diagnose und Tod waren nur 3 Monate, in denen ich nebenbei noch Abschied nehmen musste. Das alles konnte ich (überraschenderweise) ertragen und glaube, dass ich ihm eine Hilfe war, damit er loslassen konnte.

Dass ich zu wenig auf mich selbst geachtet hatte, erfuhr ich rund 2 Wochen nach seiner Beisetzung. Ich durchlebte, für die Dauer von etwas mehr als einem Jahr: Zusammenbruch, Selbstzweifel und natürlich tiefe Trauer und Erschöpfung. Seit November bin ich "rund" mit seinem Sterbeprozess und konnte mir meine pflegerischen/betreuerischen "Fehler" inzwischen halbwegs verzeihen.

Man kann viel ertragen, für Andere! Das ist meine Erfahrung.
Beantwortet mein Beitrag Deine Frage einigermaßen?
Bearbeitet am 23.01.2023 22:20 von JakeSully 
Eloise 26.01.2023 21:31 Wie viel Leid erträgt man für andere?  « T A X
Sicher erträgt man für Freunde und Bekannte mehr als für Fremde. Warum eigentlich, es sind alles Menschen. Im Fall der Serie ging derjenige aber dabei verloren, er hat sich mit seinem Tod für andere hingegeben. Du dagegen bist noch da. Du hast sicher eine Menge Substanz gegeben, aber es gibt dich noch. Deswegen kann man das nicht miteinander vergleichen.

Das mit der Behindertenarbeit ist eine tolle Sache. Ich war letztens in einem Café, welches von behinderten Menschen besucht wird. Es ist schon seltsam, dann lautstark angesprochen zu werden. Dass mir das gefällt, kann ich nicht behaupten, aber man nimmt es hin.

Deine Tätigkeit hat dir später sicher auch bei deinem Vater geholfen. Es ist schon schwer, wenn man weit weg wohnt. Es ist nicht der Tod der Eltern für mich schlimm, sondern, dass es dann nie mehr möglich sein wird, eine Eltern-Kind-Beziehung zu haben, die wir mein ganzes Leben über nicht hatten. Es wird sich für mich nichts ändern, egal ob sie leben oder nicht. Ich habe einen Teil meiner Trauerarbeit schon zu ihren Lebzeiten gehabt. Und ich hoffe, du kannst sie irgendwann loslassen. Ich glaube daran, dass es weitergeht.
JakeSully 11.02.2023 23:13 Wie viel Leid erträgt man für andere?  « T A X
Es mag sein, dass man für Freunde und Bekannte (und Verwandte) mehr erträgt, als für Fremde. Ich persönlich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass ich mit dem Leid von Fremden besser umgehen kann, als bei Verwandten. Verwandte zu pflegen (mit der notwendigen körperlichen Nähe) empfinde ich als einfacher und ich empfinde auch keinen Ekel. Das ist bei Fremden deutlich schwieriger. Hingegen empfinde ich kaum eine emotionale Belastung bei Fremden. Bei Verwandten geht das bis an den Rand der Erschöpfung...und darüber hinaus. Mit dieser Erfahrung stehe ich nicht alleine da, wie ich aus Gesprächen mit Mitarbeitern einer Palliativabteilung und des Hospizes weiß. Ich glaube, dass man über sich selbst hinauswachsen kann, wenn jemand Hilfe benötigt. Das gilt verstärkt bei engen Verwandten. Man erträgt mehr und leistet mehr (viel mehr) als man jemals vermutet hätte.
Ja, meine Tätigkeit hat mir bei meinem Vater geholfen...zu ertragen, zu handeln, zu helfen, zu pflegen, zuzuhören, Trost zu spenden und Halt zu geben. Meine Tätigkeit half mir dabei "über Grenzen zu gehen" und zu funktionieren, solange es eben nötig war. Für die Zeit "danach" half mir mein Arzt, mit Empathie, Pharmazie und Krankschreibung. Das alles hatte ich leider nötig, weil ich zu wenig auf mich und die körperlichen Signale geachtet hatte. Trotzdem würde ich mich wohl immer wieder "hinten anstellen", wenn es nötig wäre.

Deine Erfahrung mit dem Behindertencafé teile ich. Die Nichteinhaltung von körperlichen "Distanzregeln", in Verbindung mit "Lautstärke" waren Mitgründe für meine Scheu. Heute empfinde ich das als Lebensfreude und Lebendigkeit, die ansteckend und anstrengend zugleich ist. :-)

Ich weiß nicht, welche Reaktion auf Dein Eltern-/Tochterverhältnis "angemessen" ist. Ich hoffe, dass es nicht grenzüberschreitend ist, wenn ich sage, dass es mir leid tut. Ich wünsche Dir, dass Du Deinen Weg findest/gefunden hast, um damit nachhaltig Deinen Frieden zu machen.
Bearbeitet am 11.02.2023 23:19 von JakeSully 
 ·  JakeSully 13.02.2023 16:11 Wie viel Leid erträgt man für andere?  « X
Nachgetragen sei:

Übrigens finde ich es interessant, dass Du Dein Thema hier (Freundschaft und Liebe) zur Diskussion gestellt hast und nicht bei Psychologie oder Philosophie. Geschah das ganz bewusst, oder hattest Du Dir da keine weiteren Gedanken gemacht?

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